Teufelskreismodell: Konflikte entschärfen und Dynamiken durchbrechen
Teil der Serie ‚Kulturübergreifende Kommunikation leicht gemacht‘: Vier praktische Modelle für kultursensible Kommunikation – von Anna Fuchs. Erkennen und lösen Sie Teufelskreise in der Kommunikation – praktische Ansätze für interkulturelle Kompetenz und gelingende Konfliktbewältigung.
Das Wichtigste in Kürze
- Konfliktmuster verstehen: Zirkuläre Dynamiken – Teufelskreise – entstehen, wenn beide Seiten die Ursache nur im Verhalten des Gegenübers sehen und darauf „reagieren müssen“. Der Konflikt schaukelt sich dadurch immer weiter auf, bis selbst Kleinigkeiten eine Eskalation auslösen können.
- Kulturelle Unterschiede berücksichtigen: Unterschiedliche Werte und Kommunikationsstile können solche Konflikte zusätzlich verstärken und Missverständnisse vertiefen.
- Konfliktmuster erkennen, Auswege finden: Das Teufelskreis-Modell hilft, festgefahrene Muster zu erkennen und bietet vier Ansätze, um solche Dynamiken zu durchbrechen – inklusive konkreter Tipps zur konstruktiven Lösungsfindung.
Haben Sie solche oder ähnliche Aussagen schon mal gehört…?
„Am Anfang habe ich mich gut mit meiner neuen Chefin verstanden. Dann gab es die ersten kleinen Konflikte, die sich mit der Zeit zu einer absoluten Katastrophe entwickelt haben – inzwischen weiß ich einfach nicht mehr weiter und überlege, die Abteilung zu wechseln.“
„Dem Kollegen XY gehe ich inzwischen so gut es geht aus dem Weg und kommuniziere nur noch schriftlich oder über Dritte. Diese unangenehme und falsche Person tue ich mir einfach nicht mehr an.“
„Ich habe sechs Geschwister, aber am Ende bleibt immer wieder alles an mir hängen. Wir streiten häufig – oft wegen Kleinigkeiten – aber die Konflikte eskalieren schnell, vermutlich weil ich schon total genervt bin, dass ich mich immer um alles kümmern muss.“
Kommt Ihnen das bekannt vor? Vielleicht kennen Sie solche oder ähnliche Aussagen von sich selbst oder aus Ihrem Umfeld. Situationen, in denen die Kommunikation festgefahren ist und scheinbar harmlose Konflikte immer wieder eskalieren. Vielleicht nicht immer zur großen Katastrophe, aber wir alle kennen eingefahrene Beziehungsdynamiken, in denen das Verhalten des einen das Verhalten des anderen verstärkt – und der Konflikt sich dadurch weiter zuspitzt.
Im zwischenmenschlichen Miteinander geht es oft schneller hoch her, als uns lieb ist. Was mit kleinen Störgefühlen beginnt, schaukelt sich manchmal sogar bis zum völligen Kontaktabbruch hoch. Einen Konflikt auszuhalten, ist immer unangenehm. Doch es lohnt sich, aktiv an einer Wende zu arbeiten – fast alle schwierigen Situationen und Beziehungen haben das Potenzial, wieder ins Positive gelenkt zu werden. Genau hier setzt das Teufelskreis-Modell an: Es hilft, festgefahrene Dynamiken zu erkennen und gibt praktische Hinweise, wie Konflikte wieder in konstruktive Bahnen gelenkt werden können.
Teufelskreise in der Kommunikation: Wie sich Konflikte erkennen und lösen lassen
Wenn Menschen das Gefühl haben, dass sich Konflikte im Kreis drehen, sich Kleinigkeiten zu großen Kämpfen aufschaukeln und jede Kommunikation sinnlos erscheint, dann liegt dahinter oft ein Teufelskreis – ein Kreislauf, in dem sich Konfliktdynamiken zunehmend hochschaukeln.
Ein klassisches Beispiel dafür ist das Nähe-Distanz-Spiel: „Nur weil du so abweisend bist, fühle ich mich zurückgewiesen, suche Nähe und versuche zu verstehen, was los ist,“ sagt die eine Seite. „Nur weil du mich so bedrängst, fühle ich mich eingeengt und muss mir Zeit für mich erkämpfen, manchmal sogar mit kleinen Notlügen,“ antwortet die andere.
Gerade in interkulturellen Teams oder Arbeitsumgebungen sind Teufelskreise besonders verbreitet, da unterschiedliche Kommunikationsstile oder kulturelle Werte oft unbewusst die Dynamik verschärfen. Das Teufelskreis-Modell nach Schulz von Thun hilft dabei, solche Konflikte zu erkennen und gezielt auszubrechen.
Teufelskreismodell – Die vier Stationen eines Konflikts
Ein Teufelskreis ist eine kreisförmige, sich verstärkende Konfliktdynamik ohne klaren Anfang oder Ende. Typisch für dieses Muster ist, dass alle Beteiligten die Ursache allein im Verhalten der anderen Person sehen. Jede Aktion ruft eine Reaktion hervor, die wiederum zur nächsten Aktion führt – bis sich der Konflikt immer weiter zuspitzt und die Situation zunehmend ausweglos erscheint.
Im Teufelskreis lassen sich vier Stationen unterscheiden, die das Zusammenspiel von äußerlich sichtbaren Verhaltensweisen – den Äußerungen – und inneren Reaktionen – den Innerungen – aller Beteiligten sichtbar machen. Charakteristisch ist, dass Menschen im Konflikt ihr eigenes Verhalten immer als bloße Reaktion auf das vermeintlich negative Verhalten der anderen Person wahrnehmen, also auf deren Äußerungen. Sie sind überzeugt, im Recht zu sein, und erkennen den eigenen Anteil nicht. Die emotionale Lage und die Beweggründe der anderen – deren Innerungen – bleiben ihnen unverständlich.
Teufelskreise sind von außen oft verblüffend einfach zu erkennen; stecken wir mitten drin, fällt es sehr viel schwerer, sie zu identifizieren.
Kennen Sie solche Kreisläufe auch aus Ihrem Umfeld oder Ihren eigenen Beziehungen? Vielleicht haben Sie Lust, einmal zu überlegen, welche Reaktionen diese Konflikte verstärken – und vielleicht haben Sie auch schon Ideen, wie Sie aus solchen Kreisläufen aussteigen könnten?
Kulturelle Unterschiede können Teufelskreise zusätzlich anheizen
Manchmal wirken kulturelle Unterschiede wie Brandbeschleuniger in zwischenmenschlichen Konflikten, denn ohne dass uns das sonderlich bewusst wäre, orientieren wir uns alle an bestimmten kulturell geprägten „Spielregeln“ – Normen und Handlungslogiken, die bestimmen, wie wir Situationen bewerten und in welchen Verhaltensweisen wir uns wohlfühlen. Ein Gefühl für Nähe und Distanz, für Offenheit oder Zurückhaltung oder den „richtigen“ Grad an Höflichkeit ist dabei für jede Kultur unterschiedlich ausgeprägt.
Diese Regeln übertragen wir auch auf andere und messen sie daran. Ein „fremdes“ Verhalten wird daher schnell als unpassend oder unfreundlich erlebt. Das zeigt sich etwa in der Wahrnehmung von Nähe und Distanz: Je nach kulturellem Hintergrund erscheinen bestimmte Handlungen als zu persönlich, zu distanziert oder sogar unnahbar – sei es durch den Gebrauch von Titeln, körperliche Distanz oder eine besonders förmliche Ausdrucksweise.
Häufig versuchen beide Seiten, die Unsicherheit durch „noch mehr des Guten“ zu kompensieren, das heißt, sie halten an ihrem gewohnten Verhalten fest – aber mit noch mehr Anstrengung. Doch diese Fixierung verstärkt nur die Polarisierung und verschärft die Konfliktspirale weiter. Aus einer Kritik zu einem einzelnen Verhalten („Frau Müller lächelt selten“) wird schnell eine pauschale Abwertung („Frau Müller ist eine abweisende Person“).
Im interkulturellen Kontakt überträgt sich dieses Urteil oft auf die ganze Gruppe: So wird Frau Müller zur „typischen Deutschen“ oder Herr Ramírez zum „typischen Latino“. Kein Wunder, dass solche Konflikte schnell zu Identitätskonflikten werden, denn wenn sich beide Seiten gegenseitig „schief ansehen“ und abwerten, gerät ihr Selbstwert in Gefahr. Um das eigene Selbstbild zu stabilisieren, neigen die Beteiligten dazu, die andere Seite noch negativer zu bewerten und sich selbst in der Überzeugung zu bestärken, „normal“ zu handeln.
Diese Reaktionen verschärfen den Teufelskreis weiter: Jede:r fällt umso stärker in gewohnte Handlungsmuster zurück, reagiert verbohrter, ungeduldiger, aggressiver, ausweichender oder schluckt den Ärger herunter, nur um ihn später auf andere Weise auszudrücken.
So entsteht eine verhärtete Dynamik, in der jede Seite ihr eigenes Verhalten nur noch als gerechtfertigte Antwort erlebt – eine konstruktive Lösung wird so jedoch immer unwahrscheinlicher.
Teufelskreise eskalieren
Ganz generell gilt für Teufelskreise: Mit jeder Runde im Konflikt fühlen sich beide Seiten stärker missverstanden und verletzt. Anstatt aufeinander zuzugehen, erlebt jede Seite jede Reaktion des anderen als weiteren „Angriff“ – ein Angriff, der nur noch mehr Ablehnung und Trotz hervorruft. Auf die menschlichen Innerungen des Gegenübers – also auf die Beweggründe und Gefühle der anderen Person – können sich beide schon lange nicht mehr einlassen.
Die Stimmung wird zunehmend gereizter, und es fällt beiden immer schwerer, die Situation klar und „objektiv“ zu sehen. In der Literatur wird der Teufelskreis oft mit Parasiten verglichen, die sich in die Kommunikation einschleichen und von ihr leben (Niklas Luhmann). Wie Viren in einem Computerprogramm entwickeln sie eine Eigendynamik und übernehmen schließlich die Kontrolle über das gesamte System.
Im schlimmsten Fall driften beide Seiten immer weiter auseinander, die Fronten verhärten sich stetig. Manchmal passiert das schnell, manchmal über Jahre hinweg. Was als kleines Missverständnis begann, entwickelt sich zu einer scheinbar unüberwindbaren Kluft, wie in den Beispielen am Anfang. Dann sind die Standpunkte so festgefahren, dass eine Einigung kaum noch denkbar scheint. Scharfe Worte fallen, verletzende Vorwürfe werden ausgesprochen, und die Konfliktdynamik schaukelt sich so hoch, dass die Beteiligten sich selbst kaum wiedererkennen.
Wie also lassen sich solche zirkulären Konfliktdynamiken rechtzeitig erkennen und durchbrechen?
Ausstiegsmöglichkeiten aus einem Teufelskreis
Falls Sie den Eindruck haben, dass Sie selbst oder Menschen in Ihrem Umfeld in einem Teufelskreis stecken, macht es unbedingt Sinn, diese Konfliktdynamik einmal aufs Papier zu bringen.
Das hilft beim wichtigsten und ersten Schritt, um sich bewusst aus dem Kreislauf zu lösen: Erkennen Sie, dass beide Seiten zur Situation beitragen und dass auch Sie nicht nur „Opfer“ der Dynamik sind.
Im Folgenden finden Sie vier „Ausstiegsmöglichkeiten“ – kleine Weichenstellungen; jede Einzelne hat das Potenzial, den Teufelskreis zu stoppen.
Das eigene Verhalten verändern
Gibt es alternative Reaktionen, die Sie bewusst ausprobieren könnten? Schon ein kleiner Schritt abseits des gewohnten „Streit-Drehbuchs“ kann den Teufelskreis verlangsamen oder sogar stoppen.
Verantwortung für die eigene Gefühlsreaktion übernehmen
Andere Menschen lösen Gefühle in uns aus – aber sie „machen“ sie nicht. Besonders starke Emotionen haben oft mit „alten Themen“ zu tun, die in uns angestoßen werden. Wir rasten dann innerlich regelrecht ein. Gezielte Selbsterkundung und Reflexion helfen dabei, diesen Automatismus zu entkoppeln. Vielleicht versuchen Sie es sogar einmal damit, das Gespräch ganz bewusst von Äußerungen zu Innerungen zu bringen und dem Gegenüber zu erklären, wie es Ihnen bei dieser Gelegenheit ums Herz steht.
Die Reaktion des Gegenübers hinterfragen und neu deuten
Wie wäre es, das Verhalten des anderen aus dessen Perspektive zu betrachten? Überlegen Sie einmal, wie Ihr Gegenüber sein Verhalten möglicherweise rechtfertigen oder sogar als sinnvoll empfinden würde. Vielleicht steckt hinter der Handlungsweise eine positive Absicht oder ein Wert, der Ihnen bisher entgangen ist.
Das Verhalten des Gegenübers in einem anderen Licht betrachten
Gelingt es Ihnen vielleicht auch, das Verhalten des anderen so zu sehen, wie er oder sie es selbst betrachtet? Überlegen Sie einmal, wie die Person ihr Handeln rechtfertigen würde – vielleicht sieht sie darin einen Sinn, den Sie bisher übersehen haben. Kann es sein, dass hinter dem Verhalten positive Absichten stehen, die Ihnen nicht sofort klar waren?
Diese Ausstiegsmöglichkeiten helfen, die Schuldfrage loszulassen und den Fokus von Vorwürfen auf Verständnis und Akzeptanz zu richten. Oft genügt schon ein kleiner Schritt, um die verhärtete Dynamik zu durchbrechen und die Beziehung wieder in konstruktive Bahnen zu lenken – einen Versuch wert ist das allemal!
Fazit
Teufelskreise in der Kommunikation sind kein seltenes Phänomen und können selbst die besten Beziehungen auf die Probe stellen. In dieser zirkulären Konfliktdynamik erleben sich beide Seiten als „nur“ reagierend – jeder empfindet das eigene Verhalten als gerechtfertigte Antwort auf die Aktionen des Gegenübers, ohne zu merken, dass dies auf der anderen Seite genauso wahrgenommen wird. So hält jeder den Konflikt aktiv am Laufen und trägt unbewusst zur Verschärfung bei.
Das Teufelskreis-Modell bietet jedoch Auswege. Wer die Dynamik erkennt, hat bereits den ersten Schritt getan. An einer der „Stationen“ bewusst innezuhalten und den eigenen Anteil zu reflektieren, kann helfen, die Konfliktspirale zu verlangsamen und Raum für neues Verständnis zu schaffen. Ein Perspektivwechsel, ein anderes Wort oder eine kleine Geste genügen oft, um verhärtete Muster aufzubrechen. Mit Gelassenheit und Selbstreflexion wird es möglich, festgefahrene Schuldzuweisungen loszulassen und dem Gegenüber Raum für eine eigene Sichtweise zu geben.
So wird aus einer belastenden Auseinandersetzung allmählich eine echte Begegnung. Denn Konflikte lassen sich in den meisten Fällen lösen – erfahrungsgemäß reicht es oft sogar, wenn nur eine der Parteien – zum Beispiel Sie – den Mut hat, den ersten Schritt zu machen. Mit der Bereitschaft zu kleinen Veränderungen lässt sich ein Weg aus dem Teufelskreis finden und eine wertschätzende, respektvolle Kommunikation aufbauen.
Teile dieses Textes entstammen dem Buch „Transkulturelle Herausforderungen meistern“
Die Veröffentlichung der Textbausteine erfolgen mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Verlags sowie der Autorin Anna Fuchs.
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