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Integration

Kulturelle Vielfalt in der Pflege: Multikulturalität, Interkulturalität und Transkulturalität

7 Min
Dr. Bouchra Achoumrar
kulturelle vielfalt
Inhaltsverzeichnis
Kulturelle Vielfalt
Was bedeutet multikulturell?
Was bedeutet interkulturell?
Was bedeutet transkulturell?
Begriffsabgrenzung
Fazit

In einer durch Migration geprägten Realität nimmt die Relevanz von Kultur, insbesondere im Gesundheits- und Pflegesektor, zu. Da der Bevölkerungsanteil von Menschen mit Migrationshintergrund ständig wächst, gibt es immer mehr Pflegebedürftige mit Migrationshintergrund. Gleichzeitig wächst auch die Anzahl internationaler Pflegekräfte in allen Versorgungssektoren, was die kulturelle Diversität sowohl unter den Patient:innen als auch dem Pflegepersonal weiter erhöht. Dieser Anstieg an kultureller Vielfalt bietet relevante Potenziale für die Pflegeorganisationen, bringt aber auch Herausforderungen mit sich, insbesondere bei der Überwindung sprachlicher und kultureller Barrieren. Ein Verständnis kultureller Einflussfaktoren ist daher entscheidend. Konzepte wie Multikulturalität, Interkulturalität und Transkulturalität spielen eine wichtige Rolle, indem sie verschiedene Ansätze für das Zusammenleben und die Interaktion zwischen unterschiedlichen Kulturen anbieten. Obwohl diese Konzepte sich in bestimmten Aspekten ähneln, bestehen dennoch Unterschiede zwischen ihnen in ihrem Umgang mit kultureller Vielfalt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Kulturelle Vielfalt in der Pflege: Die Berücksichtigung von kulturell geprägten Einflussfaktoren in der Pflegepraxis ist von großer Bedeutung, da Pflegekräfte und Pflegebedürftige mit Migrationshintergrund eigene Perspektiven einbringen, die von etablierten Standards abweichen können. Die Anerkennung und Integration dieser Diversität ist entscheidend für eine effektive Kommunikation und patientenzentrierte Versorgung.
  • Bedeutung von Multikulturalität, Interkulturalität und Transkulturalität: Diese Konzepte bieten unterschiedliche Ansätze im Umgang mit kultureller Vielfalt, von der Koexistenz verschiedener Kulturen ohne Verschmelzung (Multikulturalität) über den Austausch und das Finden von Gemeinsamkeiten (Interkulturalität) bis hin zur Überwindung kultureller Grenzen und der Entstehung neuer kultureller Formen (Transkulturalität).
  • Förderung kultureller Kompetenzen: Die Schulung des Pflegepersonals in multikultureller, interkultureller und transkultureller Kompetenz ist entscheidend, um die Bedürfnisse von diversen Patient:innen adäquat zu erfüllen. Die Anerkennung und Wertschätzung von Unterschieden als Bereicherung sowie die Implementierung von Strategien zur Überwindung sprachlicher und kultureller Barrieren sind dabei zentral.
  • Wichtigkeit für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen: Aktive Förderung kultureller Kompetenzen, kontinuierliche Reflexion und Anpassung der Pflegepraktiken, Förderung des Dialogs zwischen Kulturen und die Entwicklung einer inklusiven Unternehmenskultur sind essenziell, um qualitativ hochwertige, patientenzentrierte und kultursensible Pflege zu gewährleisten.
  • Auswirkungen auf Teams und Pflegequalität: Hohe kulturelle Kompetenz verbessert Teamarbeit und Kommunikation, steigert die Pflegequalität, fördert Patientenzufriedenheit und Wohlbefinden sowie die Arbeitszufriedenheit der Pflegenden. Individuell abgestimmte Pflegeansätze, die kulturelle Perspektiven sensibel berücksichtigen, vermeiden Missverständnisse und Konflikte.
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Kulturelle Vielfalt in der Pflege

Der Auseinandersetzung mit kulturell geprägten Vorstellungen und Normen kommt eine erhebliche Relevanz für die pflegerische Praxis zu. Pflegekräfte und pflegebedürftige Menschen mit Migrationshintergrund bringen durchaus eigene, kulturell geprägte Vorstellungen von Gesundheit, Krankheit, Schmerz und Ernährung in das Pflegesystem ein. Diese Perspektiven bieten wesentliches Potenzial, können jedoch von den etablierten Standards abweichen und zu Konflikten führen. Diese werden oft durch Missverständnisse verursacht, die auf unterschiedliche kulturelle Praktiken, Glaubenssysteme oder Sprachbarrieren zurückzuführen sind.

Die Anerkennung und Integration dieser Diversität sind daher entscheidend, um eine effektive Kommunikation und patientenzentrierte Versorgung zu gewährleisten. Die Anpassung der Pflegepraxis an die Bedürfnisse einer diversen Gesellschaft ist nicht nur eine gesetzliche Anforderung, sondern auch essenziell, um Missverständnisse zu minimieren und eine inklusive, hochwertige Pflege zu sichern. Forschungsergebnisse unterstreichen, wie kulturell geprägte Vorstellungen die Wahrnehmung der Pflege beeinflussen – angefangen bei der Deutung von Gesundheit und Krankheit bis hin zu ihren generellen Erwartungen an die Pflege selbst.

Die Integration kultureller Aspekte, einschließlich Verständnissen von Krankheit, Schmerz, Ernährung, religiösen Überzeugungen und Vorstellungen von Nähe, ist somit zentral für eine ganzheitliche, bedarfsgerechte Pflege. Daher ist die Entwicklung kultureller Kompetenzen innerhalb der Pflegeorganisationen von großer Bedeutung, um ein tieferes Verständnis und die Fähigkeit zur Anwendung dieser Konzepte in der Pflegepraxis zu fördern.

Was bedeutet multikulturell?

Das Konzept der Multikulturalität beschreibt die strukturelle Koexistenz verschiedener Kulturen innerhalb einer Gesellschaft. „Multikulturell“ kennzeichnet eine Eigenschaft von Organisationen oder Gruppen, in denen Personen aus unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zusammenarbeiten. Multikulturalität umfasst die Anerkennung und Wertschätzung unterschiedlicher kultureller Identitäten und Traditionen, einschließlich Sprache, Religion, Lebensstile und Wertvorstellungen. In einer multikulturellen Organisation wird eine gleichberechtigte Koexistenz angestrebt, bei der keine Kultur dominiert oder assimiliert wird. Stattdessen wird kulturelle Vielfalt als Bereicherung betrachtet und ein inklusives Umfeld gefördert, das allen Mitgliedern ermöglicht, ihre kulturellen Werte zu bewahren und gleichberechtigten Zugang zu haben.

Die multikulturelle Kompetenz in der Pflege schafft ein Umfeld, das sensibel auf die Bedürfnisse einer heterogenen Bewohnerschaft und des Pflegepersonals eingeht, indem sie ein tiefes Verständnis für und Respekt vor kulturellen Unterschieden fördert. In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen arbeiten beispielsweise Pflegefachkräfte aus verschiedensten Ländern zusammen, um den Bedürfnissen einer ebenso kulturell diversen Patient:innenschaft gerecht zu werden. Pflegekräfte, die mit den kulturellen Hintergründen ihrer Patient:innen vertraut sind, können bedarfsgerechten Pflegeleistungen erbringen. Das Wissen um kulturspezifische Diätvorschriften oder religiöse Praktiken kann beispielsweise dazu beitragen, die Pflege und das Wohlbefinden der Patient:innen zu optimieren. So schafft multikulturelle Kompetenz in der Pflege ein Umfeld, in dem die Beteiligten auf die vielfältigen Bedürfnisse einer heterogenen Gesellschaft eingehen.

Was bedeutet interkulturell?

Interkulturalität ist ein Konzept, das die Interaktion und den Austausch zwischen Menschen bzw. Gruppen verschiedener kultureller Hintergründe in einer Gesellschaft bzw. Organisation betont. Es zielt darauf ab, durch Dialog und gegenseitiges Lernen Verständnis, Respekt und Wertschätzung für kulturelle Vielfalt zu fördern. Im Unterschied zur Multikulturalität, die die Anerkennung kultureller Unterschiede hervorhebt, konzentriert sich Interkulturalität auf das Finden von Gemeinsamkeiten und das Bauen von Brücken zwischen den Kulturen.

In der Pflege ermöglicht beispielsweise die Schulung von Pflegepersonal in interkultureller Kompetenz, kulturell angepasste Pflege zu erbringen, wodurch das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Patient:innen gesteigert werden. Solche Schulungen bereiten Pflegekräfte darauf vor, sensibel auf kulturelle Überzeugungen und Praktiken ihrer Patient:innen einzugehen, was eine patientenzentrierte Versorgung unterstützt, bei der kulturelle Unterschiede als wesentlicher Teil der Pflegepraxis anerkannt werden. Interkulturelle Kommunikation spielt dabei eine Schlüsselrolle, indem sie beispielsweise in der Interaktion mit den Pflegebedürftigen auf der angemessenen Interpretation beobachteter Signale, wie Mimik, basiert und so zu einem tieferen Verständnis und Respekt gegenüber kulturellen Unterschieden beiträgt.

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Was bedeutet transkulturell?

Transkulturalität ist ein Konzept, das die Vorstellung traditioneller, klar abgegrenzter Kulturen infrage stellt und stattdessen die Durchlässigkeit und Vermischung kultureller Grenzen betont. Transkulturalität entsteht durch den Austausch und die Interaktion zwischen Kulturen und führt oft zu einer Synthese von Elementen aus verschiedenen Kulturen. Demnach sind Kulturen nicht isoliert oder homogen, sondern vielmehr durch vielfältige Verflechtungen und gegenseitige Beeinflussungen gekennzeichnet.

Im Kontext der Pflege bedeutet Transkulturalität, dass Pflegefachkräfte Patient:innen mit einer Vielzahl von kulturellen Hintergründen begegnen, die nicht mehr durch starre kulturelle Kategorien zu verstehen sind. Transkulturell orientierte Pflegekräfte zielen darauf ab, Pflegeleistungen zu erbringen, die diese komplexe und dynamische Natur der kulturellen Identitäten anerkennen. Dies erfordert die Integration verschiedener kultureller Praktiken in die Pflege, von Ernährung bis zu religiösen Bedürfnissen, um eine umfassende und bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten. Transkulturalität in der Pflege fördert die Anerkennung individueller Patientenidentitäten und unterstützt eine personalisierte, patientenzentrierte Pflege, die offen für die individuellen Lebensgeschichten und Bedürfnisse der Patient:innen ist, geformt durch vielfältige kulturelle Einflüsse.

Abgrenzungen und Bedeutung für die pflegerische Praxis

Multikulturalität, Interkulturalität und Transkulturalität bieten unterschiedliche Perspektiven im Umgang mit kultureller Vielfalt in unserer Gesellschaft und im Gesundheits- und Pflegewesen. Diese Konzepte befassen sich mit dem Zusammentreffen und der Interaktion verschiedener Kulturen, setzen jedoch unterschiedliche Schwerpunkte:

Multikulturalität

Multikulturalität hebt die Anerkennung und Koexistenz unterschiedlicher kultureller Identitäten innerhalb einer Gesellschaft hervor, ohne dass eine Verschmelzung oder tiefe Integration der Kulturen angestrebt wird. Es fördert ein Bewusstsein für die Vielfalt und betont die Bedeutung des Respekts gegenüber kulturellen Unterschieden.

Interkulturalität

Interkulturalität konzentriert sich auf den Austausch und die Interaktion zwischen den Kulturen mit dem Ziel, Verständnis und Gemeinsamkeiten zu schaffen. Dieser Ansatz ermutigt zum Dialog und gegenseitigen Lernen, wodurch ein tieferes Verständnis und eine größere Wertschätzung für andere kulturelle Perspektiven gefördert werden.

Transkulturalität

Transkulturalität geht noch einen Schritt weiter, indem es die Überwindung kultureller Grenzen anstrebt und die Entstehung neuer, kultureller Formen und Identitäten hervorhebt, die aus dem Austausch zwischen den Kulturen resultieren. Im Gegensatz zu Multikulturalität und Interkulturalität, die sich hauptsächlich auf die Anerkennung von Unterschieden und das Finden von Gemeinsamkeiten konzentrieren, zielt Transkulturalität auf die Schaffung neuer kultureller Ausdrucksformen ab, die nicht ausschließlich einer einzigen nationalen oder ethnischen Kultur zugeordnet werden können.

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Kulturelle Vielfalt Fazit

  • Aktive Förderung kultureller Kompetenzen ist erforderlich, um qualitativ hochwertige, patientenzentrierte Pflege in der zunehmend diversen Gesellschaft zu gewährleisten.
  • Regelmäßige Schulung des Pflegepersonals in multikultureller, interkultureller und transkultureller Kompetenz ist entscheidend für die adäquate Versorgung diverser Pflegebedürftiger.
  • Pflegeteams sollten Unterschiede erkennen, respektieren und als Bereicherung ansehen.
  • Implementierung von Strategien zur Überwindung sprachlicher und kultureller Barrieren erhöht die Patientensicherheit und vermeidet Missverständnisse.
  • Eine offene und wertschätzende Haltung gegenüber verschiedenen Kulturen fördert ein inklusives Arbeitsumfeld.
  • Integration interkultureller und transkultureller Praktiken ermöglicht innovative Pflegeansätze, die individuelle Patientenbedürfnisse berücksichtigen.
  • Hohe kulturelle Kompetenz verbessert die Teamarbeit und die Kommunikation mit Patient:innen aus verschiedenen Kulturen.
  • Kontinuierliche Reflexion und Anpassung der Pflegepraktiken sind notwendig für eine kultursensible Pflege.
  • Förderung des Dialogs und Austauschs zwischen Kulturen verbessert das Verständnis und die Wertschätzung für Vielfalt und steigert die Pflegequalität.
  • Sensible Herangehensweise an kulturelle Perspektiven vermeidet Missverständnisse und Konflikte.
  • Individuell abgestimmte Pflege fördert Zufriedenheit und Wohlbefinden der Patient:innen sowie die Arbeitszufriedenheit der Pflegenden.
  • Entwicklung einer inklusiven Unternehmenskultur ist essenziell, um ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle respektiert und wertgeschätzt fühlen.

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Disclaimer: Wir machen darauf aufmerksam, dass unsere Inhalte (auch etwaige Rechtsbeiträge) lediglich dem unverbindlichen Informationszweck dienen und keine Rechtsberatung im eigentlichen Sinne darstellen. Der Inhalt dieser Informationen kann und soll eine individuelle und verbindliche Rechtsberatung, die auf Ihre spezifische Situation eingeht, nicht ersetzen. Insofern verstehen sich alle bereitgestellten Informationen ohne Gewähr auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität.

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Dr. Bouchra Achoumrar

Dr. Bouchra Achoumrar ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim IEGUS – Institut für europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft GmbH und Lehrbeauftragte an der Alice Salomon Hochschule im Studiengang Management und Versorgung im Gesundheitswesen. Ihre Forschungsarbeiten beschäftigen sich insbesondere mit Diversität in Gesundheitsorganisationen. Sie promovierte über transkulturelle Pflegequalität und immaterielle Werte in der stationären Altenpflege.